Mit „Die Welt in Meran – Walzerblut“ beginnt meine neue historische Reihe – doch warum eigentlich dieser Romanschauplatz?
Meran im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts: Das bietet einem auf den ersten Blick nur das Setting eines Kurstädtchens in Südtirol – einst mittelalterliche Residenz und nach langem Dornröschenschlaf mit einem Mal wieder en vogue – vor allem, nachdem Kaiserin Elisabeth von Österreich dort mehrere Winter verbracht hatte.
Eine Meran-Saga (fast) ohne Kaiserin Elisabeth
Doch bei näherer Betrachtung liefert »Sisis liebster Fluchtort« Meran* weit mehr: einen hochspannenden Schnittpunkt zwischen Nord und Süd, Reich und Arm, Heimat und Fremde. Eine Stadt der Begegnungen, Dramen und Geschichten. Perfekt also, um dort einen breit angelegten historischen Roman anzusiedeln.
*(so texten sicher auch die Tourismus-Broschüren von Korfu, Madeira und Gödöllö)
Bei vielen Buchprojekten kann ich im Nachhinein nicht mehr sagen, welche Idee das Ganze so richtig ins Rollen brachte. Doch bei „Die Welt in Meran – Walzerblut“ war es von Anfang an klar: Die Stadtgeschichte selbst bleibt, allen dramaturgischen Wendungen zum Trotz, die mit Abstand wichtigste Inspiration.
Auch fiktive Romanfiguren oder Settings sind in diesem Buch stets Verdichtungen realer Personen, Ereignisse und Orte in und um Meran – von den zahlreichen historisch verbürgten Personen, die im Roman dann und wann auftreten, ganz zu schweigen.
Meran ist das Herz der Romanreihe – bis zum Buchcover
Es ist also nur recht und billig, dass sich die Grundidee auch im Reihentitel widerspiegelt – und auf dem wunderschön klassischen Cover Design von Patrizia di Stefano. Hier habe ich bereits über die Zusammenarbeit mit ihr geschrieben.
Als ich 2022 mit den ersten Recherchen für „Die Welt in Meran“ begann, wurde mir recht bald bewußt, dass mich die Reihe lange beschäftigen würde. Ich habe mich zudem schon immer für Medizingeschichte interessiert – und ein Kurort in den Alpen um 1900 ist natürlich ein wahrer »Zauberberg« historisch interessanter Details und Anekdoten. 😉

Die Welt in Meran: auch sonst ist der Titel Programm. Denn die Stadt an der Passer war zu ihren Glanzzeiten ein polyglotter Schmelztiegel der Kulturen. In den Hotels, Mietvillen, Pensionen und auf den Promenaden Merans kreuzten sich damals die Wege von Menschen aus ganz Europa, ja, nicht selten auch weit darüber hinaus.
Dazu liefert Merans Stadtgeschichte gerade im 20. Jahrhundert jede Menge Konflikte und damit Handlungsstränge, die sich nahezu von selbst erzählen, ein dramaturgischer Traum quasi. Aber … wenn das so ist, warum beginne ich die Meran-Saga weit vor der Jahrhundertwende in den 1870er Jahren?
Tja, jetzt muss ich sie doch bemühen: die Kaiserin. 1870 war ein besonderes Jahr für Meran: Elisabeth von Österreich, in Originalquellen von damals stets nur »die allerhöchste Frau« genannt, verbrachte zusammen mit ihrem kränkelnden Töchterchen einen ersten Winter in Meran und verliebte sich sofort in den weiten Talgrund rund um die Stadt zwischen Passer und Etsch, das sogenannte Burggrafenamt.
In Meran kommt man an Sisi kaum vorbei

Der Rest ist Geschichte: »Sisi« und ihr Gefolge machten Meran europaweit als Kurort bekannt. Das Örtchen mauserte sich binnen weniger Jahre zu einem Treffpunkt der Reichen und Schönen. Man baute und plante mit Hochdruck Hotels, Pensionen und Prachtvillen (der Wiener Börsenkrach von 1873 war noch fern), überall herrschte Aufbruchstimmung. Neben dem Kurbetrieb – die Saison ging seinerzeit von Oktober bis März – gab es Tanz- und Maskenbälle, Promenadenkonzerte und Soiréen. Man kurte eifrig und ergab sich ansonsten tausenderlei Zerstreuungen.

Auf den Promenaden flanierten die Gäste und genossen das milde Winterklima zwischen Palmen und schneebedeckten Gipfeln. Des Abends gab es in den Ansitzen, Schlössern und Grand Hotels rauschende Feste voller Tanz, Klatsch, Intrigen und Affären.
Geschäfte wurden verhandelt, Heiraten arrangiert, diplomatische Beziehungen gepflegt. Dabei war überall Musik, Kleider funkelten im Licht der Lüster. Paare drehten sich im Walzertakt, verstohlene Blicke trafen aufeinander – also ehrlich: Gibt es ein dankbareres Feld für eine Romanautorin wie mich?

Meran im 19. Jahrhundert hatte jedoch natürlich nicht nur eine glänzende Seite: Gerade unter den Bediensteten gab es viel Elend und die Bergbauern in den umliegenden Tälern waren oft bitterarm. Auch die Weltgeschichte machte vor den mittelalterlichen Toren der Stadt nicht Halt. Meran lag auch damals recht nah an der Grenze zwischen der alten Donaumonarchie der Habsburger, und dem aufstrebenden Italien im Süden.
Nord trifft Süd
Garibaldi und seine Mitstreiter hatten im Zuge des Risorgimento für ein unabhängiges Italien gekämpft. Die Ausrufung des Königreichs Italien war um 1872, dem Beginn meiner Saga, jedoch erst ein grobes Jahrzehnt her. Noch kürzer (1870) war die finale Einnahme des Kirchenstaats mit Rom. Und auch damit war der Einigungsprozess nach Ansicht vieler noch längst nicht abgeschlossen. Gerade an der Südflanke des Alpenbogens – von Trient bis Triest – standen viele Italiener weiterhin unter der Herrschaft Wiens und der Habsburger und empfanden dies als schmerzhafte Fremdbestimmung.

Lange vor den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und den politischen Umwälzungen, die Südtirol und das Trentino tief treffen sollten (mit Folgen bis in die Gegenwart), wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Grundstein gelegt für die politischen Spannungen zwischen den italienisch- und den deutschsprachigen Bevölkerungsteilen der Region.
In „Die Welt in Meran – Walzerblut“ stehen wir am Anfang dieser Entwicklung. Das Burggrafenamt ist zwar noch zentraler Teil des Habsburger Kronlands Tirol, weitgehend von einer deutschsprachigen Bevölkerung bewohnt, durchsetzt hier und da von räto-romanischen Idiomen aus den Dolomitentälern oder vom Nonsberg. Doch in der Stadt Meran hört man um 1872 bereits italienische Stimmen und Gesänge – vor allem von den zahlreichen Baustellen.
Glanz für die Einen, hartes Brot für die Anderen
Zahlreiche Wanderarbeiter aus Norditalien helfen mit, das mondäne Meran zu erbauen – viele für einen Hungerlohn. Auch davon erzähle ich in meinem Roman, ebenso wie vom Elend der kindlichen Arbeitskräfte in den Spinnereien des Bozner Unterlandes, ein inzwischen fast vergessenes Kapitel der Südtiroler Wirtschaftsgeschichte.

Im Trentino, südlich der Salurner Klause, sprach man Deutsch nur noch in den Garnisonen der österreichischen Herrschaft. Die meisten Trentiner sprachen italienisch, fühlten sich als Italiener – und nicht wenige träumen insgeheim von der sogenannten »Irredenta« und davon, das Habsburger Joch abzuschütteln und Teil Italiens zu werden.
In »Walzerblut« führe ich eine historische Figur der jüngeren italienischen Geschichte ein, deren Jugend ich auf Basis sorgfältiger Recherchen fiktional zum Leben erwecke. Die Folgen ihres Handelns sind für Südtirol bis heute von schwerwiegender Bedeutung. Doch dazu ein anderes Mal mehr.

Faszination Alpen, ewiges Eis
Zu guter Letzt ist Meran ebenso wie ganz Südtirol auch ein hot spot des Fremdenverkehrs, beliebt bei Wanderern und Bergfreunden. Sogar ein eigenes Museum in Meran informiert die Reisenden heute über die Geschichte des Tourismus in der Region.
Neben den Kurgästen reisten Mitte des 19. Jahrhunderts auch frühe Alpinisten nach Tirol und bestiegen die Bergriesen der Region, vom Ortler und Similaun bis zu den „Drei Zinnen“ in den Dolomiten (siehe Bild).

Die Entdeckung des Hochgebirges als Ort des Naturgenusses und der sportlichen Ertüchtigung führte in ganz Europa zur Gründung von Alpenvereinen. Auch Frauen entdeckten das Bergsteigen für sich – ein hochspannendes Thema für mich. In meinem Roman erwecke ich mit der Figur der Viktoria Haller eine dieser frühen Bergsteigerinnen zum Leben.
Ach ja: Fans meines Romans »Eismusik« werden in Walzerblut ein ganz besonderes Schmankerl entdecken: Es gibt nämlich tatsächlich einen historisch verbürgten Themenschwenk zur Polargeschichte, den ich natürlich weidlich ausnutze. 😉

Die große Meran-Saga beginnt …
So viel fürs Erste über die Stadt, die ich als Privatmensch seit fast zehn Jahren jedes Jahr mindestens einmal besuche – und die mich so sehr fasziniert, dass ich ihr jetzt eine ganze Romanreihe widme.
Fühlt euch eingeladen, meine Meran-Begeisterung zu teilen: Am 6. November erscheint „Die Welt in Meran – Walzerblut„.
Das Buch ist bereits vorbestellbar – viel Freude beim Lesen!

Weitere Beiträge zur Meran-Saga:

Schreibe einen Kommentar