Das 19. Jahrhundert liefert gerade in der Frauenmode so einiges fürs Auge. Für Ungeübte allerdings sieht die Kombi aus Korsett und Krinoline über viele Dekaden jener Zeit ziemlich ähnlich aus.
Für meine Meran-Saga, deren gerade erschienener Romanauftakt »Die Welt in Meran – Walzerblut« im Jahr 1872 einsetzt, habe ich mich (einmal mehr) ausgiebig mit der Mode jener Epochen beschäftigt.
Die Mode des 19. Jahrhunderts in an nutshell – und mittendrin die Kleidung der Meran-Saga
Damit ihr künftig anhand der gezeigten Kleidung ratzfatz erkennen könnt, welche Dekade des 19. Jahrhunderts auf Bildern oder in Filmen dargestellt wird, habe ich euch hier einen groben Überblick zusammengestellt – inklusive berühmter Stilikonen, einiger Buchtipps zur Modegeschichte und diverser Anekdoten. Ich starte hier mit Teil I und dem groben Zeitraum 1800 bis 1859, in einem weiteren Teil II folgen dann die Jahre 1860 bis zur Jahrhundertwende.
1. Zeitraum etwa 1790-1820
Je nachdem, auf welche Gegend in Europa man sich bezieht, wird diese Epoche auch als »Empire« oder »Regency« bezeichnet. Hier die Abbildung eines idealen Looks jener Zeit:

Wobei neuere filmische Darstellungen des Regency zum Glück etwas alltagstauglichere und sicher auch realistischere Kleidung zeigen:

Das „Empire“ im historischen Kontext: Große Umbrüche, neue Silhouetten
Es war die Zeit der Napoleonischen Kriege, der Romane von Jane Austen und von Tolstois »Krieg und Frieden«, die Geburtsstunde dessen, was Historiker heute »Europäische Moderne« nennen. In der Mode liebte man es in jener Zeit leicht, schlicht und am besten ein wenig „antik“ – oder jedenfalls das, was man sich damals darunter vorstellte. Die sogenannte „Empire-Linie“ setzte den Bund knapp unter die Brust, und weiche, fließende Stoffe wie Musselin bestimmten die Silhouetten.

Der Musselin-Wahn: Eleganz um jeden Preis
Als besonders schick galten diese Stoffe, wenn sie wie Musselin extrem dünn und fast durchsichtig waren. In gewissen Pariser Wintern, so wird erzählt, kam es deshalb auch zu Opfern der sogenannten „Musselinkrankheit“ – was meist eine schlichte Lungenentzündung war. Meine Oma hätte gerufen: „Kind, zieh dir was über! Du holst dir den Tod!“. Aber auf solche Ermahnungen haben modebewusste It-Girls schon damals nichts gegeben. Das Ergebnis, klar, Oma hatte mal wieder recht.
Als Kaiserin Joséphine Europas Geschmack prägte
Die Mode folgte jedenfalls eher nah und fließend den Linien des Körpers. Weite Unterröcke und starre Reifröcke, wie im Rokoko, waren so passé wie das Ancien Régime. Und dieser Trend wurde durch den Hof Napoleons überall in Europa verbreitet. Kaiserin Joséphine galt als Stilikone. Man kann das damalige Ideal der Empire-Mode auch auf vielen Bildern des französischen Malers Jean-Auguste-Dominique Ingres wiederfinden.
Mit der Beschwörung des antiken Ideals drückte man seine Sehnsucht nach mehr Einfachheit, Klarheit und der Rückkehr zu reduzierter Eleganz aus – in einem größeren kulturellen Kontext werden diese Jahre auch dem „Klassizismus“ (Architektur) oder der „Klassik“ (Literatur) zugeordnet.

Spencer, Häubchen und Pastell
Zu den schlichten Empirekleidern trug man gerne kurze Jäckchen (Spencer) oder große Schals, und – keine Austenverfilmung kommt ohne aus – natürlich „the bonnet“, eine Haube!
Ganz wichtig war auch, dass die Kleider reinweiß oder zumindest pastellfarben zu sein hatten – was für eine Heidenarbeit für die armen Seelen, die dies alles im nasskalten Pariser oder Londoner November hernach wieder reinigen durften.

1. Zeitraum etwa 1820-1855
In Mitteleuropa antwortete das sogenannte »Biedermeier« mit brav-bürgerlicher Gemütlichkeit auf die repressive Phase der Restauration nach Napoleons Fall und dem Wiener Kongress 1815. Heutzutage wird um die junge Queen Victoria ebenso wie um Kaiser Franz Joseph I. gern ein nostalgischer Kult betrieben. Doch darf man nie vergessen, wie knallhart reaktionär gerade Franz Joseph in seinen frühen Regierungsjahren agierte, während Victoria zwar populär war, aber dennoch ebenfalls in einem stark konservativen politischen Umfeld stand.

Schluss mit eleganter Weltläufigkeit, Rückzug ins Private
In der Folge zog man sich zurück, machte Hausmusik, las Gedichte von Eichendorff – und wenn man zu den glücklichen Bürgern gehörte, die durch die Industrialisierung reich wurden, dann zählte man still sein Geld.
Für Frauen jedoch war dies eine Phase, in der sie nach den revolutionären Umbrüchen um 1800 (man denke an Olympe de Gouges) einen spürbaren Backlash erlebten. Denn wenn sich alle Welt ins traute Heim zurückzieht – was glaubt ihr wohl, wen man dort »drinnen walten« sehen will? Rrrichtig! Die »züchtige Hausfrau«, von Schiller um 1800 in seiner Glocke beschworen, ist als weibliches Rollenideal eine Erfindung des mittleren 19. Jahrhunderts.
Deshalb: Trotz der Karrieren so großer Künstlerinnen wie z.B. Clara Schumann oder auch der Brontë-Schwestern, empfinde ich die Dekaden zwischen 1830 und 1860 aus meiner weiblichen Perspektive als bleiern.

Brave Mittelscheitel auf den ersten Fotografien
Und aus all diesen Gründen – sorry, ich musste jetzt weit ausholen – empfinde ich auch die Frauenmode dieser Jahre als reichlich hausbacken und freudlos. Allein diese Mittelscheitelfrisuren mit den unschmeichelhaft angeklatschten Schläfen!
Auf den frühen Fotografien jener Zeit sehe ich wenig, was man heute gern nachahmen würde …

Nunja, vielleicht ist das aber auch was Persönliches bei mir 🙂 – zurück zur Sache: Die zuvor hohe Taille der Kleider wanderte zurück an ihre natürliche Stelle, auch die Schultern rutschten optisch nach unten durch tiefangesetzte Ärmel. Die Stoffe wurden dicker und man trug Karomuster und/oder gedeckte Farben.
Schlichte Dekors und drölfzig Unterröcke: Die Rückkehr des Volumens
Das Dekor der Kleider war eher schlicht, die Ausschnitte schmucklos und züchtig – allein bei den Hauben, Bändern und sonstigen Accessoires hat man sich ausgetobt. Was im Sinne der »Rückkehr zum Althergebrachten« ebenfalls wiederkehrte, das waren die Unterröcke und das Volumen des Rocksaums.
Dieser wuchs immer mehr an, bis wir kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts im „zweiten Rokoko“ bei Durchmessern von fast drei Metern angekommen sind. Jetzt musste man sich dringend etwas überlegen, wenn man dieses Volumen noch steigern wollte, ohne das frau in den Stoffmassen ihrer drölfzig Unterröcke ertrank.
Aber wie immer, wenn die Menschheit etwas unbedingt haben will, dann kommt sie auf nützliche Ideen – hier: Der Reifrock! Die Krinoline!
Weiter geht’s in TEIL II mit dem mittleren und späten viktorianischen Zeitalter und der Jahrhundertwende...
Buchtipps zur Modegeschichte der Moderne
Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte, dem empfehle ich die folgenden Bücher von Sonja Duska (Modegeschichten) und Lydia Edwards (How to read a dress, How to read a suit). Sie sind allesamt unterhaltsam geschrieben und toll bebildert.

Und hier habe ich einen schönen Überblick als Illustration im Netz gefunden:



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