Dichtung und Wahrheit in meinem historischen Roman »Der Goldvogel«

Diesmal nehme ich euch mit hinter die Kulissen meines Abenteuerromans „Der Goldvogel“ und gebe Einblicke, welche Details historisch belegt sind und welche ich im Sinne der „Dichtung“ verändert habe. Fangen wir an …


WAHRHEIT – was historisch belegt ist:

1. Die Reise von Kaiser Franz Joseph im Salonzug 1880 durch Galizien.
Was die Ausstattung des Zuges und die Anordnung seiner Waggons angeht, habe ich verschiedenste Quellen hinzugezogen und eine Art Mischung der k.u.k. Hofzüge im ausgehenden 19. Jahrhundert verwendet. Es gibt übrigens ein sehr schönes Buch mit vielen Abbildungen zum Thema „Mit Kaiser Franz Joseph auf Reisen“ welches ich hier empfehle.

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Foto von B K auf Unsplash

2. Der Name meines Antagonisten, des Amerika-Agenten und Menschenhändlers Leib Greif! Hier habe ich über die Hauptfiguren meines Romans gebloggt und erkläre, woher der Name kommt.


Die Bilder zeigen zum einen ein Gemälde von William Orpen und zum anderen den jungen Daniel Day-Lewis. WER sonst könnte den Greifen im Film besser verkörpern? (Alle Bildrechte: Public Domain)

3. Jüdisches Leben beschränkte sich um 1900 in Galizien nicht allein auf das „Schtetl“. In den Tälern der Karpaten lebten oft jüdische und nichtjüdische Bewohner neben- und miteinander in kleinen Dörfern. Es gab auch jüdische Wirte – und unter ihnen solche, die dem Alkohol sehr zugetan waren.

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Foto von Dylan de Jonge auf Unsplash

Überhaupt: Der Schnaps! Mitschuld an der Misere des massiven Alkoholkonsums im damaligen Galizien (und nicht nur dort) war ein heutzutage geradezu absurd erscheinender verordneter Zwang, ein gewisses Kontingent an Alkohol kaufen zu müssen. Wer sich dazu tiefergehend informieren will: Der Fachbegriff für dieses System lautete Propination.

4. Historisch belegt sind auch Ignacy Łukasiewicz und alle Szenen rund um die Ölfelder von Borysław. Ich habe dem Ölboom in Galizien um 1900 und Łukasiewicz als „Vater der Petroleumlampe“ einen ganzen Blogpost gewidmet.

DICHTUNG – was ich mir literarisch erlaubt habe:

1. Nochmals Łukasiewicz – er war mit großer Wahrscheinlichkeit kein armenischer Pole. Diese Volksgruppe existierte im damaligen Galizien zwar als ethnische Minderheit, aber es ist nicht belegt, dass er dazugehörte.

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Der Ararat / Armeniens heiliger Berg / Foto von Daniel Born auf Unsplash

2. Der kaiserliche Salonzug hatte natürlich keine Panne! 🙂 Und auch die Lipizzaner-Pferde, die im meinem Buch durch die Karpaten galoppieren, entspringen allein meiner Fantasie. Im Spätsommer 1880 feierten wohl die meisten Lipizzaner immer noch den 300. Jahrestag des Gestüts Lipica oder präsentierten Kapriolen in der Hofreitschule in Wien.

group of people in white concrete building
Foto von Austrian National Library auf Unsplash

3. Der unselige Erzherzog, den ich im Buch mit zahlreichen Lastern belege, starb in Wirklichkeit schon im Säuglingsalter an den Pocken. Zwar gab es zu jener Zeit sehr viele Erzherzöge im Hause Habsburg, auch viele eher seltsame – doch ich wollte keinem historisch verbürgten Menschen derart viele Sünden andichten.

Habsburg / Doppeladler Österreich-Ungarn 1867-1915
Der Habsburger Doppeladler im Wappen von Österreich-Ungarn 1867-1915 (bild: public domain)

4. Die Männer der Lakota-Sioux in meinem Buch waren nicht 1880 in Hamburg, sondern erst viel später. Ihre Teilnahme an den berüchtigten Völkerschauen von Hagenbeck ist allerdings belegt. Ebenso bekannt ist, dass die Darsteller von Hagenbecks „Wild-West-Show“ (1910) wohl auch als trinkfester Trupp durch die Kneipen von St. Pauli zogen.

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Foto von Dyaa Eldin auf Unsplash

In der Figur des „Chaska Mayer“ habe ich zudem eine interessante Recherche-Fundsache verarbeitet: Im Mittelwesten der USA gab es in jener Zeit eine größere jüdisch-ashkenasische Community. Chaska ist in meinem Roman der Sohn eines jüdischen Händlers und einer indigenen Amerikanerin – komplett plausibel und damals gar nicht soo selten.


EXKURSE – literarische und popkulturelle Bezüge im Roman:

1. Vorbild für meine Figur des sinistren Rekommandeurs »Sische Rinnfeld« ist natürlich Draculas berühmter Scherge Renfield. Ich liebe Bram Stokers Roman (zu Weihnachten habe ich mich mit dieser Ausgabe beschenkt) – und Renfield mag ich als Figur darin ganz besonders.

Ein Renfield dargestellt in einer Dracula-Verfilmung des Jahres 1931 – Bildrechte: Public Domain

Was mir am Romanklassiker allerdings missfällt, ist die (damals weitverbreitete) stigmatisierende Darstellung von Menschen in der Psychiatrie und das Framing psychisch Kranker als gefährlich.

Deshalb verhält sich mein Rinnfeld anders als Renfield eher konform und ist gemäß Hannah Arendts »Banalität des Bösen« bei bester geistiger Gesundheit.

2. Kennt ihr vielleicht noch den KultstreifenTrue Romance“ von 1993? Das Drehbuch zu diesem rasanten Film mit Christian Slater, Patricia Arquette, Christopher Walken, Dennis Hopper und vielen anderen Stars lieferte damals Quentin Tarantino – wer auch sonst!?

Ausschnitt eines damaligen Filmposters zu „True Romance“ (1993)

Eine legendäre Szene zwischen Walken und Hopper hat mich zu einer Hommage in „Der Goldvogel“ inspiriert. Ich wechsle dort allerdings die Perspektive – ein erzählerischer Stunt, der euch beim Lesen hoffentlich genauso viel Spaß macht, wie mir beim Schreiben der Szene.

Apropos Szenen…

3. Die Szenenübergänge im Roman wiederum wurden inspiriert vom legendären Schnitt im Achtzigerjahre-Filmhit »Highlander«.

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Drehort von „Highlander“ in Schottland / Foto von George Hiles auf Unsplash

Ich habe das Manuskript zu „Der Goldvogel“ ja tatsächlich vor inzwischen gut zehn Jahren zu schreiben begonnen. Und ich wollte es unter anderem auch deshalb veröffentlichen, weil ich nicht nur die Geschichte und das Setting in all den Jahren stets mochte, sondern auch, weil mir einige meiner „besten“ Szenenübergänge und Kapitelenden in diesem Roman gelungen sind. Jaha, Leute – nach mehr als acht Jahren als veröffentlichte Autorin erlaube ich mir, manche meiner Sachen auch mal richtig gut zu finden. Und manche „Darlings“ leben zu lassen. 😉 

AMR mit Goldvogel Printausgabe

Soviel zum Buch.

Ich bin jedenfalls unendlich dankbar und stolz, dass „Der Goldvogel“ jetzt seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Denn das Echo der Lesenden zeigt mir jetzt: Diese Investition – an Zeit, an Überarbeitung, an Sorgfalt und Feilen am Manuskript – sie hat sich gelohnt.

Danke allen, die mein Buch mögen – und ganz besonders auch denen, die mir geholfen haben, es zu herauszubringen.

„Der Goldvogel“ ist absofort überall im deutschen Buchhandel erhältlich.

Zum Beispiel gibt es das sehr schöne Taschenbuch für 16 Euro hier…

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